Vor 100 Jahren: Einführung des Facharzttitels „Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten“

Der 21. Juni 1924 ist mit einem großen Erfolg für Ismar Boas – „Vater“ des Spezialgebietes der Gastroenterologie – verbunden. Während des 43. Deutschen Ärztetages in Bremen 1924 wurde mit den „Leitsätzen zur Facharztfrage“ erstmals und offiziell das eigenständige Sonderfach „Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten“ neben den Fachgebieten „Innere Medizin“ und „Lungenkrankheiten (Erkrankungen der Lungenwege)“ eingeführt [1]. Gleichzeitig wurde das Führen des Facharzttitels erstmalig mit einheitlichen Bedingungen für eine qualifizierte Ausbildung verknüpft (mindestens 3-jährige Ausbildungszeit nach Approbation und Beendigung des praktischen Jahres, qualifizierte Ausbildungsstätte, Anerkennung durch einen ärztlichen Prüfungsausschuss).

Abb. Praxisanzeige Dr. med. Julian Kretschmer, Emden, 1920er Jahre, © Gesine A. Janssen
Abb. Praxisanzeige Dr. med. Julian Kretschmer, Emden, 1920er Jahre, © Gesine A. Janssen

Boas hatte sich 1886 als erster „Specialarzt für Magen- und Darmkrankheiten“ weltweit in der Berliner Friedrichstraße niedergelassen [2]. Seit dieser Zeit kämpfte er unermüdlich für die Anerkennung des neuen Fachgebietes. 1890 erschien sein Lehrbuch über Magenkrankheiten, 1896 begründete er das Archiv für Verdauungs-Krankheiten, das nach kürzester Zeit national und international große Anerkennung erfuhr. 1913 war er Mitbegründer der Fachgesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.

Boas hatte sich 1886 als erster „Specialarzt für Magen- und Darmkrankheiten“ weltweit in der Berliner Friedrichstraße niedergelassen [2]. Seit dieser Zeit kämpfte er unermüdlich für die Anerkennung des neuen Fachgebietes. 1890 erschien sein Lehrbuch über Magenkrankheiten, 1896 begründete er das Archiv für Verdauungs-Krankheiten, das nach kürzester Zeit national und international große Anerkennung erfuhr. 1913 war er Mitbegründer der Fachgesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.

Boas erkannte frühzeitig, dass bei dem seit 1875 einsetzenden raschen wissenschaftlichen Fortschritt eine systematische und aktuelle Vermittlung der neuen Erkenntnisse notwendig war. So bot er in Berlin regelmäßige Fortbildungen im neuen Fachgebiet der Gastroenterologie an. Diese Fortbildungsveranstaltungen – neben anderen – waren es, die entscheidend zur Qualifizierung der frühen Spezialisten für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten beitrugen und das Fachgebiet bekannt machten [3].

Bis zum Jahre 1924 gab es keine einheitliche staatliche oder standespolitische Regelung oder Richtlinie zur Anerkennung als Facharzt/-ärztin. Es war vielmehr der Einzelinitiative überlassen, ob die Ausbildung im Rahmen einer Hospitation oder Tätigkeit bei bereits niedergelassenen „Spezialärzten“ und in deren Polikliniken wie bei Ismar Boas, Curt Pariser, Theodor Rosenheim oder Albert Albu in Berlin oder bei klinisch tätigen frühen Magenspezialisten wie Leopold Kuttner im Rudolf-Virchow-Klinikum Berlin oder Hermann Strauß im Jüdischen Krankenhaus Berlin erfolgte.

Während des Deutschen Ärztetages 1949 in Hannover wurde der Facharzttitel „Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten“ aus der Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer gestrichen. Erst nach vielen neuen Initiativen gelang es 1968, die Gastroenterologie als Teilgebiet der Inneren Medizin erneut in der Muster-Weiterbildungsordnung zu verankern [4].

Dr. med. Harro Jenss, Archivar der DGVS

 

[1] Aerztliches Vereinsblatt für Deutschland. Organ des Deutschen Aerztevereinsbundes (E.V.) 1924; 53: 261 – 264 [Nr. 1317, 11. August 1924]

[2] Jenss H. Ismar Boas. Erster Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten, Begründer der Gastroenterologie. Jüdische Miniaturen Band 96. Berlin: Hentrich & Hentrich 2010

[3] Böthin E. Ärztliches Fortbildungswesen in Deutschland 1871 – 1945. Sudhoffs Archiv 2015; 99 (2): 145 – 161

[4] Jenss H. Gerken G., Lerch M M [ Hg. ] 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten DGVS. München: August Dreesbach Verlag 2013, S. 65.